german text below
The musician in the concept artist: Josef Klammer’s language-music works
It should be a music journalist. That was the answer to the question "Why me?". Don’t
worry, the occasion was an honourable one. The question was, why had they approached me and not someone else
regarding a text for a CD of Josef Klammer’s "Sprachmusiken",
or Language-Musics. Although concept art
experts or media theorists could also write something profound,
perhaps more profound, about the work of a man whose output in the
last twenty years has gradually grown into a cross-genre block of
idea art that is overall rather difficult to classify, ranging as it
does between acoustic installations, drum improvisations, electronic
works, interventions in the public space, and much more.
The real answer, of course, is supplied by the works collected on the CD: above all, they let us hear and experience the
musician Josef Klammer in this completely open-minded inquiring mind,
conceptionist and IT freak. That is to say: acoustic material that is constantly undergoing
creative shaping, structuring, processing, that is charged with
colour and rhythm, that interacts, flows and tells stories. Hear the mesh of pulses reminiscent of irregular,
breakbeat structures full of surprises, distilled from the sound of
Ernst Grissemann’s breathing, the pointillist timbric melodies
in which his soft vocals are deconstructed. Hear
the driving groove track, fluctuating bizarrely in its inner wealth
of colour, assembled from electronically "granulated"
samples of Serbian language, and that would do credit to any
experimental electronica sampler from Vienna, Cologne or London. Marvel at the epic soundscape that sees itself
choreographed around the "useless" letter "Q",
and that transcends its sources – from amphibian to telephonic
– with impressive associativity.
Let yourself be confused by the paradoxical puzzle between finality and
continuity in this montage of choral endings. Or
by the ephemeral vocal counterpoint generated with misappropriated
language synthesis software in real time, in which Elfriede Jelinek
enters into a dialogue with herself, so to speak.
Josef Klammer’s "Language-Musics" combine the playful
approach of Kurt Schwitters with the analytical methodology of the
electronic artists of the fifties and the sensorial appeal of recent
works by Björk, Maja Ratke or even Bauchklang. For
all the technical, methodical and conceptual finesse, the immediate
experience of the sonic results is to the fore. Listen
and enjoy!
Der Musiker im Konzeptkünstler: Josef Klammers Sprachmusik-Arbeiten
Es sollte ein Musikjournalist sein. So lautete die Antwort auf die Frage
nach dem „Warum ich?" Keine Angst, der Anlass war ein
ehrenvoller. Weshalb man bezüglich eines Textes für eine CD
mit Josef Klammers „Sprachmusiken" an meine und nicht
eine andere Person heran getreten sei, lautete die Frage. Obwohl doch
Konzeptkunst-Experten oder Medientheoretiker ebenfalls Profundes,
vielleicht Profunderes über die Arbeit eines Mannes formulieren
könnten, dessen Output in den letzten 20 Jahren zwischen
Klanginstallationen, Schlagzeugimprovisationen, elektronischen
Arbeiten, Interventionen im öffentlichen Raum und einigem mehr
sukzessive zu einem genreübergreifenden, insgesamt schwer
zuordenbaren Gedankenkunstblock angewachsen ist.
Die eigentliche Antwort freilich geben die auf der CD versammelten
Arbeiten: Lassen sie doch im in alle Richtungen offenen
Forschergeist, Konzeptionisten und IT-Freak doch vor allem den
Musiker Josef Klammer hörbar und erlebbar werden. Will heißen:
Klangmaterial, das stets kreative Formung, Strukturierung,
Prozessierung erfährt, das mit Farbe und Rhythmus aufgeladen
wird, das interagiert, fließt, erzählt. Man höre die
an irreguläre, überraschungsreiche Breakbeat-Strukturen
erinnernden Impulsgefüge, die aus den Atemgeräuschen Ernst
Grissemanns destilliert, den pointillistischen Klangfarbenmelodien,
in denen seine sanften Stimmlaute dekonstruiert werden. Man höre
den treibenden, in seinem inneren Farbreichtum bizarr fluktuierenden
Groove-Track, der aus elektronisch „granulierten"
serbischen Sprachsamples gebastelt wird, und der jedem
experimentellen Electronica-Sampler aus Wien, Köln oder London
zur Ehre gereichen würde. Man staune über die epische
Soundscape, die sich um den „unnützen" Buchstaben
„Q" herum choreografiert sieht, und die ihre amphibischen
bis telefonisch generierten Quellen assoziativ eindrücklich
transzendiert.
Man lasse sich von dem paradoxen Vexierspiel zwischen Finalität und
Kontinuität verwirren, zu dem hier Chorstück-Schlüsse
montiert werden. Oder auch dem ephemeren, über zweckentfremdete
Sprachsynthese-Software in Echtzeit generierten stimmlichen
Kontrapunkt, über den Elfriede Jelinek gleichsam in Dialog mit
sich selbst tritt.
Josef Klammers „Sprachmusiken" verbinden die spielerische
Haltung eines Kurt Schwitters mit der analytischen Herangehensweise
der Elektroniker der 50er-Jahre und dem sinnlichen Appeal rezenter
Arbeiten von Björk, Maja Ratke oder gar Bauchklang. Bei aller
technischen, methodischen und konzeptionellen Finesse steht das
unmittelbare Erleben der sonischen Resultate im Vordergrund. Man höre
und genieße!
Andreas Felber, Vienna, Wien, April 2006
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